WMES mit neuem Dialog-Angebot

„Wir machen euch satt“ wird sechs Jahre und setzt verstärkt auf digitalen Dialog.

Die Lage auf vielen Höfen in Deutschland ist aktuell sehr angespannt. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie belasten die Familien auf den Höfen mental und finanziell. Wir Landwirte fühlen uns überstrapaziert im Allgemeinen. Hinzu kommt ein eine große Unzufriedenheit mit der aktuellen agrarpolitischen und wirtschaftlichen Situation.

Wir wissen natürlich, dass wir damit in der Gesellschaft nicht alleinstehen. Unsere Hoffnung ist es, dass wir gemeinsam diese Krise überstehen werden und uns hoffentlich mit neuem Mut im Jahr 2022 wieder in Berlin versammeln können.

Auch wenn es derzeit schwerfällt, müssen wir Landwirte uns weiter aktiv an agrarpolitischen Debatten um die Zukunft der Landwirtschaft beteiligen. Wir brauchen Perspektiven, die einem Realitätscheck wirklich standhalten und nicht nur von Wunschdenken geprägt sind.

Aus diesem Grund begrüßen wir es, dass die großen Branchentreffs wie die Internationale Grüne Woche, aber auch die EUROTIER, in reduziertem Umfang, dafür auf modernen Kommunikationswegen, digital stattfinden werden.

Frag den Landwirt

Den Dialog zu den agrarpolitischen Stakeholdern und besonders zu den Bürgern, wird wichtig bleiben. Deshalb möchten wir den Twitterkanal „Frag den Landwirt“ neu beleben und hier Fragen zum Thema „Landwirtschaft“ beantworten.

Logo: Frag doch mal den Landwirt

Jeder ist eingeladen, bei Twitter direkt oder auch per E-Mail (an frage@dialogstattprotest.de) Fragen an unser Team zu stellen.

Bernhard Barkmann (0151-50749517 oder info@dialogstattprotest.de)
Nadine Henke
René Rempt
Susanne Günther
Daniel Bohl
Gerhard Langreiter


Die Social-Media-Kanäle von „Frag den Landwirt“

„Wir machen euch satt“ verzichtet bewusst auf große Demo

Pressemitteilung

Wir machen euch satt“ verzichtet bewusst auf große Demo
Die Landwirtschaft findet man im Januar 2020 nicht auf den Straßen der Bundeshauptstadt, sondern auf dem Berliner Messegelände.

(Messingen, 5. Januar 2020) – Mit zahlreichen Aktivitäten haben Landwirte im 4. Quartal dieses Jahres in ganz Deutschland auf ihre schwierige Situation aufmerksam gemacht. Angefangen hatte es mit den Grünen Kreuzen als Zeichen für einen stillen Protest, es gipfelte in der großen, aufsehenerregenden Bauerndemonstration in Berlin und erreichte mit einem Flashmob, mit dem sich deutsche Landwirte mit ihren niederländischen Kollegen solidarisch zeigten, einen weiteren Höhepunkt. Zusätzlich richteten unzählige regionale Initiativen ihre Botschaften an die Verbraucher, Medien und Politik. Der Dialog ist also in vollem Gang.

Deshalb hat die Landwirte-Initiative „Wir machen euch satt (WMES)“ jetzt beschlossen, anlässlich der Internationalen Grünen Woche (IGW) im Januar 2020 in Berlin auf weitere Großdemonstrationen zu verzichten. „Unsere Botschaften sind angekommen“, sagte dazu Bernhard Barkmann, einer der Initiatoren von WMES, „wir wollen unser Augenmerk verstärkt auf den direkten Dialog mit der Gesellschaft, auch auf unseren Höfen, richten“.

Ohnehin ist die IGW selbst die stärkste Demonstration einer vielfältigen deutschen Landwirtschaft, die 80 Millionen Verbraucher mit sicheren Lebensmitteln versorgt. Rund 400.000 Besucher jährlich beweisen eindrucksvoll das Interesse an dieser Leistung. Das Herz der Messe für die heimische Produktion ist seit Jahren der ErlebnisBauernhof, auf dem auch zahlreiche Landwirte Rede und Antwort stehen werden.

Dialog statt Protest

Vor fünf Jahren wurde das erste Mal in Berlin unter dem Motto „Wir machen Euch satt“ demonstriert. Daneben haben die Initiatoren und ihre Mitstreiter zunehmend den Dialog in den Regionen Deutschlands gesucht. In vielen Landkreisen sind Dialogveranstaltungen zur Grünen Woche bereits zur Tradition geworden. „Wir freuen uns über jede regionale Initiative, die den Dialog mit dem Bürger sucht“, sind sich Nadine Henke und René Rempt einig. Alle aktiven Bauern vor Ort sind dazu eingeladen, sich in diesen Face-to-face-Dialog einzubringen.

Ansprechpartner:

Bernhard Barkmann (0151 – 50749517)

Nadine Henke (0170 – 4897692)

René Rempt (01515 – 6965897)

E-Mail: info@dialogstattprotest.de

(319 Wörter, 2352 Zeichen)


Pressemitteilung als PDF-Datei: PM_WMES_2020

Unsere moderne Landwirtschaft

Rede von Nadine Henke, gehalten heute vor dem Brandenburger Tor

Unsere moderne Landwirtschaft – eine Erfolgsgeschichte

1950 produzierte ein Landwirt genug Lebensmittel für 10 Menschen. 1970 ernährte ein Landwirt bereits 27 Menschen. Und heute produziert ein einziger Landwirt genug Lebensmittel für 145 Menschen.

Nadine Henke hielt vor dem Brandenburger Tor eine sehr emotionale Rede
Nadine Henke auf einer gezogenen Pflanzenschutzspritze vorm Brandenburger Tor (Foto: Anke Fritz)

Wie schaffen wir das? Dafür lassen Sie uns über Produktivität sprechen: Von 1950 bis heute ist der durchschnittliche Ertrag beim Weizen von 27 Doppelzentner (das sind 2,7 Tonnen) auf 74 Doppelzentner (7,4 Tonnen) pro Hektar gestiegen. Bei den Kartoffeln und auch bei Zuckerrüben haben wir die Durchschnittserträge verdoppeln können. Und das alles auf einer sich vermindernden landwirtschaftlichen Nutzfläche. In Deutschland werden immer noch mehr als 70 Hektar Fläche pro Tag in Siedlungs- und Verkehrsfläche umgewandelt. Etwa die Hälfte dieser Fläche wird versiegelt, das heißt, sie ist mit Straßen, Wegen, Parkplätzen oder Gebäuden überbaut, asphaltiert, betoniert, gepflastert oder verdichtet. Diese Siedlungs- und Verkehrsflächen sind für den Anbau von landwirtschaftlichen Produkten verloren.

Auf der anderen Seite wird Deutschland immer Grüner – die Wiesen- und Waldflächen nehmen zu. Im Umkehrschluss verlieren wir immer mehr Ackerfläche zum Anbau von Getreide, Obst & Gemüse. Und dennoch werden wir täglich satt.

Wie schaffen wir das? Auf der einen Seite sind wir Landwirte multifunktional: wir sind Ackerbauern, Tierhalter, Landschaftspfleger, Ökonome, ein bisschen Meteorologen und vor allem eines – Optimisten. Auf der anderen Seite haben wir uns und unsere Landwirtschaft stets weiterentwickelt.

Und noch eine Zahl, die ich Ihnen an dieser Stelle nicht vorenthalten möchte: 1950 arbeiteten noch 25% der deutschen Bevölkerung in der Landwirtschaft, heute sind es weniger als 2%. Das heißt im Umkehrschluss, dass 98% der Menschen in Deutschland unsere Kunden sind – anonyme Kunden. Aber auch für Sie haben Ihre Lebensmittel, die sie im Geschäft kaufen, lediglich einen anonymen Ursprung.

Sie fragen sich, wer ist denn dieser Landwirt, der uns ernährt? Oder ist es die sogenannte „Agrarindustrie“? Nein, es sind Landwirtsfamilien – ungefähr 270.000 deutschlandweit. Es sind Landwirtsfamilien wie meine Familie. Ich komme aus Niedersachsen. Ich bin Tierärztin, mein Mann ist Landwirt. Zusammen bewirtschaften wir in 4. Generation ein landwirtschaftliches Familienunternehmen. Wir halten Sauen und beschäftigen 8 Mitarbeiter und drei Aushilfen. Und wir sind ein Ausbildungsbetrieb. Wir sind mit Herzblut Schweinehalter. Ackerbau liegt uns nicht. Deswegen arbeiten wir mit anderen Betrieben in einer Kooperation, die sich auf den Anbau von Getreide spezialisiert haben. Wir finden, dass wir so eine gute Lösung für uns gefunden haben, da wir uns ausschließlich um unsere Tiere kümmern können.

Viele Menschen würden uns jedoch als „Massentierhalter“ beschimpfen. Wir sprechen da ganz offen drüber – jedes Ferkel, das bei uns geboren wird, wird später ein Lebensmittel. Und dennoch ist für uns jedes unserer Schweine ein Tier, was uns wichtig ist und um das wir uns kümmern. Und auch wenn wir von Produktion sprechen, ist keines unserer Tiere für uns ein Produkt, sondern ein Lebewesen, was wir achten.

Wir haben drei kleine Kinder. Der Kleine ist jetzt drei Jahre, unsere Mittlere 4 und der Große 6 Jahre alt. Unsere drei Kinder gehen gerne mit uns in den Stall. Sie füttern die Tiere, kuscheln mit ihnen, reiben die kleinen Ferkel nach der Geburt trocken und setzen sie zur Sau. Mir als Mutter geht das Herz auf, wenn ich sehe, wie unsere Kinder mit unseren Tieren umgehen, wie sie ganz natürlich mit ihnen aufwachsen – sie den Respekt vor ihnen lernen aber überhaupt keine Angst haben.

Nur ich habe Angst. Ich habe Angst davor, dass unsere Kinder aufgrund unseres Betriebes ausgegrenzt werden. Ich habe Angst davor, dass sie beschimpft werden, dass ihnen gesagt wird, ihre Eltern seien „Umweltverschmutzer“, „Tierquäler“, „Massenmörder“ oder „stinkende und schmutzige Menschen“.

Wir können das verhindern. Lassen Sie uns reden – und zwar miteinander und nicht übereinander. Lassen Sie uns aufeinander zugehen und uns kennenlernen. Denn nur wenn wir miteinander reden, können wir lernen, die Sorgen und Ängste des anderen zu verstehen. Deswegen – Dialog statt Protest! Vielen Dank!